Aufgaben und Geschäfte der Reichsbank.

Im § 12 des Bankgesetzes ist der Reichsbank die Aufgabe zugewiesen, „den Geldumlauf im gesamten Reichsgebiete zu regeln, die Zahlungsausgleichungen zu erleichtern und für die Nutzbarmachung verfügbaren Kapitals zu sorgen". Diesen Zweck erfüllt sie hauptsächlich durch Anpassung ihrer Notenzirkulation an die Bedürfnisse des Verkehrs, durch örtliche Regulierung des Scheidemünzenumlaufs, durch die Abrechnungsstellen, durch ihren von Jahr zu Jahr an Ausdehnung zunehmenden Giroverkehr und durch ihr Diskontgeschäft. In ihrem ersten Bericht, am Ende des Jahres 1876, konnte die Reichsbank bereits schreiben: „Das ganze Deutschland ist durch die Reichsbank ein Giroplatz geworden". Kein anderes Noteninstitut der Welt verfügt über ein annähernd gleiches Filialnetz, und gerade hierdurch ist sie die Bank aller Banken geworden, deren Dienste jede Bank und jeder Bankier in Anspruch nehmen muss. Am Ende des Jahres 1904 waren an den Giroverkehr der Reichsbank 21221 Personen und Firmen angeschlossen, die im Laufe des Jahres auf einer Seite ihres Kontos einen Umsatz von 97273 Millionen M machten, welche Summe bis auf einen Betrag von 14 102 Millionen M nicht bar gezahlt, sondern verrechnet wurde. Über die Technik dieses Verkehrs siehe unter Zahlungsausgleichungen.

Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind die Leistungen der Reichsbank im Dienste der Finanzverwaltung des Reiches. Im § 22 des Bankgesetzes heißt es: „Die Reichsbank ist verpflichtet, ohne Entgelt für Rechnung des Reiches Zahlungen anzunehmen und bis auf Höhe des Reichsguthabens zu leisten." Erweitert wurde diese Verpflichtung dann durch § 11 des Statuts der Reichsbank: „Der Reichsbank liegt ob, das Reichsguthaben unentgeltlich zu verwalten und über die für Rechnung des Reichs angenommenen und geleisteten Zahlungen Buch zu führen und Rechnung zu legen." Auf Grund dieser Bestimmungen besorgt die Reichsbank unentgeltlich die Kassengeschäfte des Reichs und der Zentralbehörden. Einen besonders großen Umfang hat der Verkehr mit der Generalpostkasse, den Oberpostkassen und den Postämtern angenommen. Bei der Zentrale in Berlin und bei sämtlichen mit Kasseneinrichtung versehenen Filialen der Reichsbank werden ferner die Zinsscheine der Anleihen des Reiches eingelöst, die Zinsen der ins Reichsschuldbuch eingetragenen Forderungen ausgezahlt, sowie gegen Einreichung des Talons neue Zinsbogen ausgehändigt. Der Mitwirkung der Reichsbank bei Emission neuer Anleihen ist ebenfalls hervorzuheben.

Grosse Dienste leistet die Reichsbank dem Reiche ferner dadurch, dass sie alle bei ihr einlaufenden Münzen nicht nur auf ihre Echtheit, sondern mittels automatischer Wagen auch auf ihre Vollwichtigkeit hin prüft. Gewaltsam beschädigte Münzen werden durch Einschneiden für den Umlauf unbrauchbar gemacht und alsdann dem Einzahler zurückgegeben. Münzen hingegen, welche nur infolge längerer Zirkulation und Abnutzung das Passiergewicht nicht mehr erreichen, werden zum vollen Wert angenommen, dann aber an die Reichshauptkasse oder an die anderen hierfür bestimmten Sammelstellen abgeführt.

Die Reichsbank sorgt ferner nach Möglichkeit dafür, dass jeder die Münzsorten ausgezahlt erhalten kann, die er jeweilig benötigt. Sie betreibt das (kostenfreie) Umwechselgeschäft in großem Masstabe. Monatlich einmal müssen alle Zweiganstalten an das Direktorium berichten, welche Geldsorten vermutlich benötigt sein werden und welche entbehrlich sind. Auf Grund dieser Nachweise erfolgen Versendungen — i. J. 1900 zwischen den selbständigen Bankanstalten 1733 Millionen M und innerhalb des Bezirkes der selbständigen Bankanstalten 1444 Millionen M — und ev. auch Neuprägungen von Münzen. In Berlin besteht dauernd eine Umwechselungskasse, zeitweise sind zwei oder drei eingerichtet, an denen nur gewechselt wird.

Im Jahre 1900 wurden bei der Reichshauptbank gewechselt :

Reichsgoldmünzen 209 120 000 M
Taler  43 932 000  „  
Reichssilbermünzen 36 415 000  „  
Nickel- und Kupfermünzen 3 361 600  „  
Banknoten 156 735 000 „  
Reichskassenscheine 22 105 000 ,,  
Insgesamt 471 668 600 M

Besonders an den Freitagen sowie an jedem Ultimo Sieht man die Bankboten schwer beladen mit einer Anzahl Beutel die Umwechselungskasse verlassen. Jeder Beutel ist plombiert oder versiegelt und mit einer „Fahne" versehen, die Inhalt und Gewicht angibt. Die Goldbeutel (20- oder 10-Markstücke) sind zu 10 000, die Silberbeutel (5-, 2-, l- oder 1/2-Markstücke) zu 1000, die Nickelbeutel (10- oder 5-Pfennigstücke) zu 100 und die Kupferbeutel (2- oder l-Pfennigstücke) zu 20 M. In den Kassenbureaus der Banken wird zunächst ermittelt, ob das auf den Fahnen der Beutel angegebene Bruttogewicht stimmt. Sollte sich einmal eine Differenz ergeben, dann ist der Beutel ungeöffnet zurückzuliefern. Stimmt aber das Gewicht — und dies ist fast ausnahmslos der Fall — dann beginnt das „Einrollen". Die Goldrollen werden zu 1000 oder 500 M, die Silberrollen zu 50 oder 100 (5-Markstücke auch zu 150 oder 200 M), die Nickel- und Kupferrollen zu 1,2, 3, 5 oder 10 M hergestellt.

Die zum Auszahlen von Löhnen und Gehältern gebrauchten Geldsorten stehen nunmehr zur Verfügung der Kundschaft. Firmen usw., welche kein Konto bei einer Bank besitzen, sind genötigt, sich das Silber bei der Reichsbank abholen zu lassen, die aber gerolltes Silber in der Regel nur bis zum Betrage von 1000 M abgibt.

Über das Umwechseln von Silber-, Nickel- und Kupfermünzen in Gold und Banknoten bestehen bei der Reichsbank folgende Vorschriften: „Die Einlieferung der umzutauschenden Münzen hat in kassenmäßig formierten Beuteln oder Tüten, und zwar die der Silbermünzen in Beträgen von mindestens 200 M, die der Nickel- und Kupfermünzen in Beträgen von mindestens 50 M zu erfolgen. Die Auszahlung des Gegenwertes erfolgt an den Einlieferer nach bewirkter Durchzählung der eingelieferten Münzen, welche in der Regel sofort oder binnen 5 Tagen nach der Einlieferung bewirkt werden wird."

Im übrigen betreibt die Reichsbank die gleichen Geschäfte wie die andern Notenbanken